Nietzsche, ein unverschämter Moralist? Zur Psychologie des Psychologen in MA I

24/06/2015
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Présidence : Jaanus Sooväli

Menschliches, Allzumenschliches bedeutet für Nietzsche eine entscheidende Wende innerhalb seines Denk- und Lebensweges. Im Vergleich mit den zuvor erschienen Unzeitgemässen Betrachtungen zeichnet sich dieser Wendepunkt, abgesehen von stilistischen und formalen Aspekten, unter anderem durch zwei Elemente aus. Einerseits bedeutet Menschliches, Allzumenschliches eine Loslösung vom Idealismus der früheren Schriften und andererseits tritt in Menschliches, Allzumenschliches Nietzsches Bemühen um eine Selbstbestimmung als Psychologe und «Meister der Seelenprüfung» in den Vordergrund.

Ausgehend von den ersten vier Aphorismen des zweiten Hauptstücks «Zur Geschichte der moralischen Empfindungen» (MA I: 35-38; KSA 2, 57-62) wird mein Vortrag Nietzsches Ringen um ein neues Selbstverständnis des Psychologen hinsichtlich der Aufgabe einer Kulturkritik nachgehen. Die Entlarvung und Demaskierung des «Menschlichen, Allzumenschlichen», so die Hauptthese meines Vortrages, bezieht sich auch auf die Tätigkeit und Aufgabe des Psychologen selbst und kann als eine Psychologie des Psychologen verstanden werden. Diese Selbstbezüglichkeit wird anhand der darin liegenden Schamdynamik näher aufgezeigt. Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern die durch den unverschämten Moralisten ausgelöste Beschämung eine Notwendigkeit für den Erkennenden darstellt und wodurch sie allenfalls gerechtfertigt werden kann.

Florian Häubi